Montag 25.5.2015 – Let’s visit the factory

Heute besuchen wir also die Fabrik, in der unsere Baumwolltaschen produziert werden. Gegen Halb Zehn steigen wir ins Auto und machen uns auf den Weg zu Atuls Betrieb. Wir verlassen Kolhapur auf einer belebten Straße Richtung Osten.

Hinter der Mautstadion – auf jeder größeren Straße ist hier eine Abgabe fällig – tauchen wir in eine von Zuckerrohrfeldern dominierte, grüne Landschaft ein. Am Fenster zieht das ländliche Indien an uns vorbei. Morgendliche Betriebsamkeit, Motorräder, TukTuks, LKWs und Busse. Kleine Verkaufsstände an denen es Gemüse oder Dinge des täglichen Lebens gibt. Eine Menschentrauben an den Bushaltestellen, Kinder in Schuluniform oder spielend am Straßenrand. Wir sehen bunte Saris neben abgetragener Kleidung in undefinierbarem Braun, neu errichtete Geschäftsgebäude neben Wellblech und Zeltplanen, meist überdacht von den schattenspendenden Bäume am Straßenrand.

Nach einer halben Stunde Fahrt erreichen wir schließlich unser Ziel. Am Eingang des vor zwei Jahren neu errichteten Gebäudes erwartet uns bereits ein Teil der Belegschaft. Der Boden und die Treppe sind mit Ornamenten aus farbigem Sand verziert. Zur Begrüßung überreicht man uns Blumenketten und ein traditionelles Blütengesteck. Andere Länder andere Sitten, aber verlegen macht es mich schon ein wenig.

Zunächst geht es in den kleinen Meeting- und Show-Room, wo uns Atul mit der Produktionsleitung bekannt macht; ich werde als Mr. CityBag eingeführt. Nice. In den Regalen entdecke ich dann auch gleich die ersten Samples, die mir sehr bekannt vorkommen.

Nach kurzem Smalltalk und einer Tasse Masala-Chai gehen wir in die Fabrikationsräume nebenan, um dem Weg unserer Taschen zu folgen. Beginnend beim Stoffeingang, über den Zuschnitt, die Näherei, Qualitätskontrolle, Farbmanagement, Bügelstation, bis hin zur Versandabteilung. Alles sehr sauber und gepflegt. Mit einem Schmunzeln muss ich daran denken, dass auch mein Büro dank der Frühjahrs-Audits momentan sehr aufgeräumt ist. Ob sich die gut hundertfünfzig Näherinnen im Raum wohl wegen unseres Besuchs in extra schönen Stoff gekleidet haben?

Deutlich sieht man auf jeden Fall, wie pflichtbewusst Atul die Vorgaben der verschiedenen Zertifizierungen umsetzt. Sein Unternehmen ist unter anderem nach GOTS, Fairtrade, BCI, BSCI zertifiziert. Mehrere Meter Anschlagtafeln erinnern mich an die Bürokratie, die schon mir als nur einfachem Händler durch meine Zertifizierungen entsteht. Wir sehen die sauber eingerichtete Kantine, nebst Krankenstadion und einem Raum, über den sich in Deutschland zu Zeiten der KITA-Streiks, mancher Elternteil gefreut hätte: ein Spielzimmer für Kinder. Ok, just for Compliance, niemand bringt hier seine Kinder mit. Aber gut, hier vielleicht nicht, wo anders eventuell dringend nötig.

Nach dem Rundgang treffen wir uns vor dem Haus, um weiter zur Druckerei zu fahren. Von der andere Straßenseite dröhnt uns aus einem eher baufälligen Haus, das dutzendfache Klackern von mechanischen Webstühlen entgegen. Man bemerkt unsere interessierten Blick und organisiert eine kurze Besichtigung.

Der Gang durch die Türe ist wie der Eintritt in ein anderes Jahrhundert. Dicht gedrängt steht ein Webstuhl neben dem anderen. Die stählernen Gusskörper zeigen, dass die Maschinen sicher schon etliche Jahrzehnte im Einsatz sind. Arbeitssicherheit oder auch nur ein Gehörschutz? Fehlanzeige. Gewebt wird ein leichter Gardinenstoff.
Die drückende Hitze im Raum steht in vollem Kontrast zur angenehm klimatisierten Näherei auf der anderen Straßenseite. Wenn dort auch sicher einiges just for complience präsentiert wird, welche grundlegenden Verbesserungen die Orientierung an westlichen Arbeitsstandards mit sich bringt, zeigt dieser kurze Ausflug aber deutlich.

Die Druckerei die wir im Anschluss besuchen besteht momentan aus zwei Baustellen. Der alten Örtlichkeit, die nur noch für einfache Drucke genutzt wird und einem Neubau ein paar Straßen weiter. Dort entsteht derzeit eine moderne Druckerei mit Farblabor, Sozialräumen und eigener Kläranlage.

Den Druckprozess darf man sich nun allerdings nicht, wie in einer deutschen Textildruckerei vorstellen. Gedruckt wird nicht auf mehrarmigen Karussellen sondern auf langen Tischen, auf denen die Stoffzuschnitte mittels Haftmittel fixiert werden. Der Druck erfolgt dann per Handsieb und Rakel. Für die exakte Positionierung sorgt eine Metallschiene mit Anschlägen. Eine Herausforderung wenn es um mehrfarbige Drucke und hohe Passergenauigkeit geht. Meine Hochachtung, wenn ich da an so manches Kundenmotiv denke, das wir in den letzten Jahren umgesetzt haben. Eine Drucktechnik die zunächst etwas altertümlich anmutet, da aber die rohen Stoffzuschnitte bedruckt werden, wohl die effektivste Methode für individuelles Branding.

Nach einem kurzen Zwischenstopp in der Näherei, machen wir uns gegen Zwei Uhr wieder auf die achtstündige Rückfahrt nach Mumbai. Allerdings nicht ohne noch ein Lunch einzunehmen. Atul lädt uns in eines der typischen indischen Restaurants am Straßenrand ein. Typical Indian Sweat and Eat, meint er lachend. Hier wird das Essen am Boden zubereitet und das Naan klassisch auf der Steinplatte gebacken. A bit more spicy als im Hotelrestaurant aber wieder einmal sehr lecker. Als Besteck gibt es nur einen Löffel und die Finger.

 

Dienstag 26.5.2015 – Office Day

Unser letzter Tag in Indien. Den Vormittag verbringen wir im Büro in Mumbai. Hier befindet sich die Administration, Auftragsbearbeitung und eine kleine Näherei zur Musterproduktion. Ging es die letzten Tage darum, einen Eindruck vom Land, der Branche, dem Supply Chain und den Menschen hinter den Produkten zu erhalten, steht heute nun Business auf dem Plan. Aktuelle Aufträge werden besprochen, welches sind unsere Pläne für die Zukunft, was ist in Sachen Produktionserweiterung geplant, wie kann das Sortiment ergänzt werden und wie können wir das alles gemeinsam gestalten. Die Besprechung findet im dicht gefüllten Showroom statt, in dessen Regalen sich jede Menge Produktideen stapeln. Es bleibt spannend.

Nach einem späten Mittagessen verabschieden wir uns schließlich von unseren Gastgebern um die letzten Stunden bis zum Rückflug mit Einkäufen und im Hotel zu verbringen.

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