Biofach 2012 – Nachhaltigkeit praktizieren

Nachhaltigkeitsforum auf der BioFach 2012
Nachhaltigkeitsforum auf der BioFach 2012

Im Kongressangebote der diesjährigen Biofach stach mir ein Veranstaltungstitel besonders in die Augen: „Nachhaltigkeit praktizieren – im Spannungsfeld zwischen Mission, Motivation und Manipulation“. Das hörte sich spannend an und roch irgendwie nach Marketing. Wie definieren andere wohl nachhaltige Kommunikation? Also fand ich mich am Freitagmorgen im Saal Budapest des Nürnberger Messezentrums ein.

In Gang gebracht wurde die Diskussion durch Penelope Winterhager von draftfcb, einer Hamburger Werbeagentur. Sie zeigte am Beispiel der Pure & Natural Serie von Nivea, wie ökologische Themen in der Konsumgüterwerbung umgesetzt werden. Werbung mit nachhaltigen Inhalten, müsse immer Vertrauen aufbauen und sei von daher für kurzfristige Ziele nur selten geeignet, war eine ihrer Schlussfolgerungen. Auf den im Titel erwähnten Spannungsbogen zur Manipulation ging sie leider nicht näher ein, interessant wäre es gewesen.

Ohne Werbung? Oder doch?

Nachhaltigkeitsforum auf der BioFach 2012
Götz Rehn von Alnatura stellte vor allem das eigene Engagement in den Vordergrund.

„Werbung machen wir so gut wie nicht“, meinte dagegen Alnatura-Gründer Götz Rehn. „Vielleicht einmal zur Eröffnung einer neuen Filiale.“ An sonst setzt man in erster Linie auf Kundendialog und die Kommunikation der eigenen Aktivitäten. Man praktiziert und kommuniziert.

„Nachhaltiges Denken heißt einfach gesagt: die Welt verbessern wollen.“ Dieses Einwurf von Moderator Siemers führte Götz Rehn in seinen Gedanken fort: Der Einsatz für eine bessere Welt sei in der Regel mit der Sinnfrage des Lebens verbunden und dem Bedürfnis etwas Sinnvolles zu tun. Der Mensch suche nach Orientierung und Vorbildern.

Genau hier ist einer der Knackpunkte nachhaltiger Werbung. Denn bei dieser Suche können Unternehmen dem Kunden zur Seite stehen. In zum Partner machen, ihn informieren. Warum ihn zum Beispiel nicht auch in die Produktentwicklung mit einbinden? Kommunikation die Vertrauen aufbauen und dem Kunden Orientierung gibt. Gelingt es diese Inhalte richtig zu transportieren, ist klassische Werbung nur ein zusätzlicher, weiterer Kanal für den Austausch.

Die Entwicklung zu einem nachhaltigen Lebensstil ist auch Thema der Studien von Michael Kuhndt vom CSCP Wuppertal. Er betrachtete die nachhaltige Entwicklung als ein Generationenprojekt und ein Weg mit vielen kleinen Schritten. „From a bad, to a less bad, to a sustainable product, to a sustainable lifestyle“, war eine seiner Powerpoint-Thesen. Es gehe darum ein sehr komplexes System zu bewegen, in dem viele Parameter zur berücksichtigen sind.

Nachhaltiges Handeln?

Nachhaltigkeitsforum auf der BioFach 2012
Karsten Zimmermann präsentierte das Nachhaltigkeitsprogramm der Deutschen Telekom

Aber was bedeutet nun nachhaltiges Handeln? Wie sind diese vielen Parameter im System einzuordnen? Die große Unbekannte, die uns in jeder Diskussion irgendwann einmal begegnet.

Die Komplexität dieser Frage unterstrich Karsten Zimmermann von der Telekom, indem er ein erweitertes Nachhaltigkeitsmodell zur Diskussion stellte. In ihm gibt es neben den bekannten ökologischen, sozialen und ökonomischen Faktoren auch eine politische und kulturelle Dimension. Ein Definition, die durchaus bedenkenswert ist. Schließlich müssen nachhaltige Ideen ja auch durchgesetzt und zum kulturellen Gemeingut entwickelt werden.

Vom Nachhaltigkeitsprogramm der Telekom das er präsentierte, habe ich bisher allerdings kaum etwas mitbekommen. Durchaus interessant, wie ganzheitlich man das Thema Nachhaltigkeit im Konzern betrachtet. Infos dazu unter: nachhaltig-handeln.telekom.com.

Aber viele Großunternehmen praktizieren heute ja – mehr oder weniger unbemerkt – eine Nachhaltigkeitsstrategie. In der Regel verfolgt man dabei jedoch eher mittelfristige Ziele und stellt das Thema daher nicht so in den Vordergrund. Zunächst muss durch Taten bewiesen werden, dass man es auch ernst meint und sich so das Vertrauen der Verbraucher erarbeiten.

Gegen Ende der Veranstaltung hatte das Publikum die Möglichkeit, mittels Pappkärtchen – und wenig ökologischen Permanentstiften – Fragen an das Podium zu stellen. „Wie gewichten Sie die verschiedenen Dimensionen nachhaltigen Handelns“, habe ich auf meine Karte geschrieben, die dann auch tatsächlich als Letzte zur Diskussion gestellt wurde.

Definitionssache!

Wie meist in solchen Fällen, fielen auch dieses Mal die Antworten sehr schwammig aus. Einzig Herr Krüger vom NABU ergriff eine deutliche Position. Es gehe um die Bewahrung unserer Erde, von daher müsse sich alles der Umwelt unterordnen, dies sei der Dreh- und Angelpunkt.

Nunja, das kann man durchaus so sehen. Aber müssen mancherorts nicht zuerst einmal die sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit ökologisches Handeln überhaupt erst möglich wird? Wie sieht es dann mit der Gewichtung aus? Ich gebe zu, meine Fragestellung war etwas provokant und ich war mir beim Schreiben schon fast sicher, keine klare Antwort zu erhalten. Wie auch, diskutieren wir dieses Thema nicht ständig ohne zu einem eindeutigen Schluss zu kommen?

Einen klaren Schluss konnte man aus der Veranstaltung aber doch ziehen. Kommunikation mit nachhaltigen Themen, ist nur dann glaubhaft und erfolgreich, wenn das Unternehmen und das beworbene Produkt, auch tatsächlich nachhaltige Inhalte besitzen. Es geht um eine Bewusstseinsänderung beim Konsumenten, die nur durch Authentizität und Überzeugung erreicht werden kann.

Heißt das jetzt: Greenwashing kann gar nicht funktionieren? Da die Verbraucher nicht darauf ansprechen und schnell merken, dass man sie über den Tisch ziehen will? Ein schöner Gedanke, mit dem ich mich nach zwei Stunden wieder ins Messegetümmel stürzte.

Fotos: © 2012, BioFach